"Liebe als Kunstgriff- Wer etwas Neues wirklich kennen lernen will (sei es ein Mensch, ein Ereignis, ein Buch), der thut gut, dieses Neue mit aller möglichen Liebe aufzunehmen, von Allem, was ihm daran feindlich, anstössig, falsch vorkommt, schnell das Auge abzuwenden, ja es zu vergessen:
so dass man zum Beispiel dem Autor eines Buches den grössten Vorsprung giebt und geradezu, wie bei einem Wettrennen, mit klopfenden Herzen danach begehrt, dass er sein Ziel erreiche. Mit diesem Verfahren dringt man nähmlich der neuen Sache bis an ihr Herz: und dies heißt eben sie kennen lernen.
Ist man soweit, so macht der Verstand hinterdrein seine Restrictionen; jene Überschätzung, jenes zeitweilige Aushängen des kritischen Pendels war eben nur der Kunstgriff, die Seele einer Sache herauszulocken." (Nietzsche, 1886)4